Geschichte Istanbuls by Kreiser Klaus
Autor:Kreiser, Klaus [Kreiser, Klaus]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783406615443
Herausgeber: C.H.Beck
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00
Mittel- und Westeuropäer fand man seit dem 16. Jahrhundert überwiegend in anspruchsvolleren technischen Berufszweigen. Der deutsche Apotheker Reinhold Lubenau erwähnt bei seinem Aufenthalt in Galata (1587–1589) zahlreiche deutsche, englische, französische und italienische Goldschmiede, Uhrmacher und Graveure von Gemmen. Im Laufe des 17. Jahrhunderts ließen sich horlogers aus Genf nieder. Diese Zugvögel waren meist junge Leute, die im Schatten des Großherrn ihr Glück machen wollten. Erst im 19. Jahrhundert erschienen Bulgaren in größerer Zahl (über 30.000), meist als Handwerker und Kaufleute.
Türkisch war zweifelsohne die Lingua Franca der Stadtbevölkerung, doch konnte man sich ein Leben lang in der engeren Nachbarschaft mit Herkunftssprachen wie Albanisch, Bulgarisch oder Kurdisch durchschlagen. Frauen und Jugendliche zum Beispiel verließen ihre nähere Umgebung fast nie. Unter der griechischen Bevölkerung Istanbuls gab es bis ins frühe 20. Jahrhundert viele Menschen, die trotz des Besuchs höherer Schulen das Türkische allenfalls radebrechen konnten. Turkophone anatolische Christen wie die orthodoxen Karamanlis hatten deshalb, als sie im 19. Jahrhundert zunehmend nach Istanbul einwanderten, einen klaren Vorteil gegenüber ihren Glaubensgenossen. Sprachliche und ethnische Bestimmungen fielen auch sonst nicht immer zusammen. So wurden die schon in byzantinischer Zeit ansässigen aschkenasischen Juden aus Ost- und Mitteleuropa durch das enge Zusammenleben mit den Sepharden («Spaniern») sprachlich assimiliert. Ladino («Judenspanisch») war bis ins 20. Jahrhundert ihre Umgangssprache, während die jüdische Oberschicht sich rasch zum Französischen bekannte. Familiennamen wie Toledano und Katalan erinnern an die sephardische, Rosenberg und Grünberg an die aschkenasische Herkunft.
Solange in der Stadt kein Hunger herrschte und ausreichend Wasser vorhanden war, standen ihre Tore für Neuankömmlinge offen. Erst aus dem Jahr 1567/1568 sind Befehlsschreiben gegen die Zuwanderung nach Istanbul bekannt, die aber eher gegen die für den Fiskus schädliche Landflucht von Bauern gerichtet war.
Große Baustellen zogen auch nach der Fertigstellung der Süleymaniye viele Arbeitskräfte aus dem im frühen 17. Jahrhundert von Aufständen verwüsteten Anatolien an. Die an der Sultan-Ahmed-Moschee beteiligten Armenier wurden ausdrücklich von der zwangsweisen Rückführung in ihre Heimatprovinzen ausgenommen. Bevölkerungszahlen für das 17. Jahrhundert beruhen im Gegensatz zur vorausgehenden Zeit auf Schätzungen, die zwischen einer halben Million (S. Faroqhi) und 700.000–800.000 (R. Mantran) schwanken. Es gibt aber Anhaltspunkte für die Größenverhältnisse der Stadtregionen. So verteilten sich die Bäckereien wie folgt:
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